Konsum

Mittwoch, 2. Februar 2005

Alice, who da fuck is Alice

Ok, sie sieht ja wirklich gut aus, die gute Alice, die uns in jüngsten Tagen an jeder Berliner Straßenbahnhaltestelle anlacht. Bedauernswerterweise gehört sie nicht zur BVG-Mischpoke, bei der sie zweifellos, aufgrund ihrer körperlichen Reize, wie auch wegen ihrer sonstigen Sympathiewerte, eine Exotin darstellen würde.alicekommt2
Obwohl es Alice ein wenig an Tiefe mangelt, leistet sie doch einen erheblichen Beitrag zur Erquickung des vornehmlich männlichen Geschlechts.
Gerade in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett gequält, schlurft der Großstadtprimat in stoischer Schicksalsergebenheit zur Haltestelle voller Erwartung auf einen abwechslungslosen Tag in seinem tristen Büro.
Doch dann völlig unverhofft tritt Alice in sein Leben. Diese Venus-gleiche, jungfräuliche Maid, diese verführerische Lolita, wie sie da gerahmt von dem schlichten Wall-Plakat prangt. Das weckt die Lebensgeister und transformiert auch den ödesten Sesselpubser in einen wilden Eroberer voll brennender Leidenschaft – jedenfalls in seinen Augen. Die Wahrscheinlichkeit, dass seine Taschentücher heute nicht nur seine Rotze auffangen müssen, ist nach dieser Begegnung jedenfalls ziemlich sehr hoch.
aliceDoch was will diese Alice, sofern das überhaupt ihr richtiger Name ist, überhaupt? Warum muss sie gerade die arglosen Straßenbahnfahrer mit ihren aufreizenden Posen im leichten Sommerkleidchen verstören? Was will sie damit bezwecken, wenn die uns lasziv auf einem roten Ball sitzend schelmisch-wissend anlächelt?
Auch ich kann meine Blicke schwer kontrollieren, ich gebs ja zu. Aber sie macht mir ehrlich auch ein wenig Angst, die Alice. Sie hat etwas mit uns vor, dessen bin ich mir sicher, sie will uns locken und überreden, warum sonst sollte sie in der ekligsten Matschwinterzeit unsere sehnsüchtigen Blicke auf sich ziehen wollen. Oh teuflische Sirene, was willst du von uns? Unsere „männschliche“ Schwäche ausnutzen, um uns zu willfährigen Sklaven für deine dämonischen Ziele zu machen?
Voll Ekel wider die von ihr ausgenutzte primitive Geilheit gebietet uns die in weibliche Schönheit gekleidete Herrin der Dunkelheit Geduld. Vorerst sollen wir noch ein bisschen in Ungeduld zappeln und uns die Mäuler zerreißen, über ihre Rolle, ihre Absichten und ihre Körbchengröße. Doch bald werden wir alles erfahren. Bald, wenn: www.alice-kommt.de

Donnerstag, 6. Januar 2005

Der Konsummotor seid Ihr!

Ein Grundproblem, das den Menschen von jeher quält, ist die Frage nach dem Sinn seiner Existenz. Nicht nur in dicken Philosophie-Wälzern kann man nach der Antwort suchen. Man findet sie zuweilen sogar in der Wirtschaftspresse. Herr Schröder machte in seiner Neujahransprache klar: „Vergessen Sie nicht, dass Sie es selbst in der Hand haben, wie es mit der Wirtschaft in Deutschland weitergeht. Auch Sie ganz persönlich können Konsummotor sein: Ihr Vertrauen in die Zukunft entscheidet mit über den Arbeitsplatz Ihres Nachbarn.“ Wenn Kaufhaus-Ketten pleite machen und Autohersteller ins Ausland abwandern, hat also ein jeder von uns daran mit schuld. Wir sollten uns wirklich schämen für unser unpatriotisches Verhalten. Doch Papa Staat und Mama Wirtschaft geben uns eine Chance zur Bewährung.
Zur Einstimmung in die umsatzstärkste Zeit des Jahres, dem Fest der Liebe, hatten wir neulich erst die Gelegenheit zu zeigen, wie lieb wir sie doch haben. An der Langen Nacht des Shoppings am vergangenen Samstag konnte man seiner Liebe sogar bis Mitternacht Ausdruck verleihen. Ein warmes Gefühl machte sich breit, als alte Bekannte wie Beate Uhse, Hennes & Mauritz uns so rührend umgarnten. Niketown wurde zur Heimatstadt. McDonalds zum Stammlokal. Jedes Schnäppchen wirkte wie ein Adrenalinstoß. Nur gut, dass die treue EC-Karte ein abruptes Aussetzen dieses Rausches verhinderte. Überall begegneten einem glückliche Menschen, die sich mit ihren Einkauftüten abmühten. Sie schienen den Sinn verstanden und ihre Erfüllung gefunden zu haben.
Ich ging weiter, wollte weitersuchen. Plötzlich ein befremdliches Bild: Ein Mann ohne Kopf, der sein Haupt in einem Einkaufswagen durch die Shoppingmeile schiebt. Treffender kann man dieses Kauf-Delirium wohl kaum karikieren.
Der Darsteller war ein Betreiber des Jugendportals narra.de, das sich kritisch mit der Konsumgesellschaft auseinandersetzt. So veranstalten die jungen Medienmacher am 27.11. den jährlichen Buy-Nothing-Day, ein Tag an dem absolut nichts eingekauft werden soll, nach der Devise: „Weniger kaufen, mehr leben“. Einmal über die Folgen unseres Konsumstils nachzudenken, mag vielleicht nicht so berauschend sein, tut aber Not. Auch Entziehungskuren können manchmal sehr bereichernd sein.

(Dieser Artikel wurde am 14.11.04 in ähnlicher Form auf der Jugendseite der Berliner Zeitung veröffentlicht.)
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