Mittwoch, 23. Mai 2007

Geduld Hotel

In dem kleinen Ort Hohoe, zwischen dem Voltasee und der Grenze zu Togo, gibt es eine Unterkunft namens: „Geduld Hotel“. - Und die braucht man wirklich, wenn man in Ghana unterwegs ist, gerade auch als hektischer, überpünktlicher Deutscher. Busfahrpläne und geregelten Abfahrtszeiten gibt es hier nicht.
Hauptverkehrsmittel ist das sog. „Trotro“. Meist recht klapprige Kleinbusse mit kaputten Türen und selbst zusammengeschusterten, verdammt engen Sitzreihen, auf denen man dann mal gute 4 Stunden auf holprigen Pisten ausharren muss. Zwischen stillenden Müttern und schwitzenden Menschen. Als Klimaanlage dient lediglich der Fahrtwind, der durch die Schiebefenster weht. Und wenn man im Stau steht - was gerade in Accra oft der Fall ist - dann steht auch die Luft. Ein Schweißtuch gehört also in Ghana zur Grundausstattung.
Ein sehr angenehme Institution beim Trotro-Fahren ist wiederum das „Windowshopping“. Ist man z.B. in Accra Richtung Innenstadt unterwegs, kann man wirklich fast jeden Scheiß „durch die Fenster“ des Trotros kaufen. Fliegende Händler bieten alles, was man sich so vorstellen kann. Von dem klassischen „pure water“ (Trinkwasser in Beuteln), über Flaggen, Kekse, Uhren, hin zu Klopapier, Taschenlampen, Gürteln, Springseilen und auch Überleitungskabeln. Manchmal steigen (meist bei langen Fahren) auch Händler selbst ins Trotro ein und bieten in langen Lobpreisungen Lehrbücher oder Gesundheitstinkturen an, die auch noch gut für die „sexual health“ seien sollen. Und Sonntags wird auch schon mal im Trotro gepredigt.
Eine wichtige Rolle bei der Trotro-Fahrt spielen die „mates“. Sie sitzen in der Nähe der meist klapprigen, kaum verschließbaren Schiebetür des Kleinbusses. Sie sind sozusagen für die Fahrgäste zuständig. Sie kassieren den wirklich extrem günstigen Fahrpreis (von meist 0,20 Euro innerhalb Accras bis ca. 3 Euro bis ins 170km entfernte Kumasi). Und sie managen den Ein- und Ausstieg. Sie signalisieren z.B. den Leuten, die am Straßenrand warten, durch Zurufen („circ, circ, circ“ - was „Circle“ heißen soll, die zentrale Trotro-Station in Accra) oder bestimmte Handzeichen (Kreiselbewegung), wo das Trotro hinfährt. Will man mitfahren, muss man ebenfalls einfach die bestimmte Handbewegung machen oder rufen. Wenn das Trotro dann nicht schon bis auf den letzten Millimeter vollgestopft ist, hält der Driver und man muss sich auf den noch verbleibenden Platz basteln.
Und wenn man bei längeren Reisen auch schon mal 4 Stunden auf die Abfahrt des einzigen Busses nach Hause warten muss, weil dieser nicht losfährt, ehe der letzte Platz besetzt ist und dann nach nochmal 4 Stunden Fahrt auf mit Schlaglöchern übersäten Straßen kein Blut mehr durch deinen schmerzenden Hintern fließt, oder man ewig nicht weiterkommt, weil man im absoluten, ungeregeltem Verkehrschaos oder an einem scheiß Polizei-Checkpoint feststeckt, dann ist das eine wirklich einmalige Erfahrung, die man so wahrscheinlich auch nur hier machen kann. Und trotzdem ist es ein Heidenspaß - irgendwie, meistens. „Stay blessed. Amen.“

Donnerstag, 12. April 2007

Lost in Time

Wer reist, wer nach Afrika reist, braucht Geduld und Vertrauen. – Aber das ist leicht gesagt, wenn man als fremdes, deutsches Weißbrot am Flughafen nach 10 Stunden Flug in einer schwarzafrikanischen Hauptstadt ankommt und nur von sehr aufdringlichen Taxifahrern belauert, aber nicht wie erhofft von einem Projekt-Mitarbeiter empfangen wird. – Ich fühle mich fremd und verloren, wie noch nie in meinem Leben. Ich, das Albino, der Exot, von allen beäugt, gestrandet. Mir bleibt nur zu warten, bis mich die Leute vom Projekt abholen. Und das kann gute zwei Stunden dauern – der Verkehr in Accra ist chaotisch, wie ich später noch erleben werde.
Es dämmert, der Abend bricht herein. Keiner kommt, obwohl ich schon zweimal mit dem Chef telefoniert hab. Der ermahnte mich eindringlich, am Flughafen zu warten und nicht auf eigene Faust loszuziehen. Ein weiser Rat, ich und einer der planlosen Taxifahrer hätten uns hoffnungslos verirrt.
Ein einheimischer Typ namens Joe, der auch wartet, labert mich an. Etwas verwirrt, verängstigt, gelingt es mir nur mäßig in die nett gemeinte Plauderei über Deutschland und Fußball (die Ghanaer sind Fußball-Fanatiker!) einzusteigen. Bin trotzdem dankbar, da er sich als freundlich und vertrauenswürdig erweist und wir uns die Zeit etwas vertreiben.
Als es schon lange dunkel ist, kommt endlich Anas, der bullige Hauswart von meiner Organisation und holt mich ab. Als wir mit dem Taxi durch das nächtliche Accra fahren, wird mir bewusst, was Heimat bedeutet. Oh fernes, fremdes Deutschland. Bei dir gibt es keine Nachtmärkte und Sargzimmerer am Straßenrand. In meine Neugierde und gespanntes Interesse mischt sich etwas melancholische Wehmut beim Gedanken an Zuhaus. Aber bald hast du mich wieder, mein fernes, fremdes, ordentliches, sauberes, pünktliches, pessimistisches, verbohrtes Deutschland. Ein bisschen vermiss ich dich jetzt schon!

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Dienstag, 10. April 2007

Ghana – Prolog

Die Welt ist schon ein verrücktes Fleckchen Erde. Absurd und ambivalent wie das Leben höchstselbst. – Das denk ich irgendwie oft als ich in den letzten Vorbereitungen für meinen Afrika-Trip stecke. Sechs Monate Journalismus-Praktikum in Accra, der Hauptstadt von Ghana in Westafrika. – Ich, 23 Jahre alt, Westeuropäer, in Wohlstand lebend, hohe Bildung genießend, bezahle ein Heiden-Geld, um ein halbes Jahr auf einem der ärmsten Kontinente der Welt zu verbringen. Währenddessen tausende Afrikaner bei dem Versuch umkommen, über das Mittelmeer und somit nach Europa (die Heimat des wohlstehenden, jungen Europäers) zu kommen, weil sie hier ein besseres, friedliches, würdigeres Leben erwarten. -Schon verrückt.
Immerhin kann ich mich dann rühmen mal einen Blick in die Realität eines Afrikas erhascht zu haben, das (wenn überhaupt) in den Nachrichten nur aus Krieg, Elend, Hungersnot und Völkermord besteht. Und so gelingt mir bei diesem Aufenthalt vielleicht ein etwas ausgewogeneres Bild in das Land Ghana und ihre Menschen zu bekommen (und Euch davon zu berichten). Also die eurozentristische Brille abgesetzt und die Gulpsch'n uffjemacht. – but first: I‘m going pigmente-haschen.

Bis bald
T.

Montag, 9. April 2007

the eagle has landed

ich bin seit anfang april in Accra, Ghana.

und dies wird der Ort sein, an dem ich ueber meine Erlebnisse, Eindruecke berichten moechte.

so: stay tuned.

Tob.
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