Geduld Hotel

In dem kleinen Ort Hohoe, zwischen dem Voltasee und der Grenze zu Togo, gibt es eine Unterkunft namens: „Geduld Hotel“. - Und die braucht man wirklich, wenn man in Ghana unterwegs ist, gerade auch als hektischer, überpünktlicher Deutscher. Busfahrpläne und geregelten Abfahrtszeiten gibt es hier nicht.
Hauptverkehrsmittel ist das sog. „Trotro“. Meist recht klapprige Kleinbusse mit kaputten Türen und selbst zusammengeschusterten, verdammt engen Sitzreihen, auf denen man dann mal gute 4 Stunden auf holprigen Pisten ausharren muss. Zwischen stillenden Müttern und schwitzenden Menschen. Als Klimaanlage dient lediglich der Fahrtwind, der durch die Schiebefenster weht. Und wenn man im Stau steht - was gerade in Accra oft der Fall ist - dann steht auch die Luft. Ein Schweißtuch gehört also in Ghana zur Grundausstattung.
Ein sehr angenehme Institution beim Trotro-Fahren ist wiederum das „Windowshopping“. Ist man z.B. in Accra Richtung Innenstadt unterwegs, kann man wirklich fast jeden Scheiß „durch die Fenster“ des Trotros kaufen. Fliegende Händler bieten alles, was man sich so vorstellen kann. Von dem klassischen „pure water“ (Trinkwasser in Beuteln), über Flaggen, Kekse, Uhren, hin zu Klopapier, Taschenlampen, Gürteln, Springseilen und auch Überleitungskabeln. Manchmal steigen (meist bei langen Fahren) auch Händler selbst ins Trotro ein und bieten in langen Lobpreisungen Lehrbücher oder Gesundheitstinkturen an, die auch noch gut für die „sexual health“ seien sollen. Und Sonntags wird auch schon mal im Trotro gepredigt.
Eine wichtige Rolle bei der Trotro-Fahrt spielen die „mates“. Sie sitzen in der Nähe der meist klapprigen, kaum verschließbaren Schiebetür des Kleinbusses. Sie sind sozusagen für die Fahrgäste zuständig. Sie kassieren den wirklich extrem günstigen Fahrpreis (von meist 0,20 Euro innerhalb Accras bis ca. 3 Euro bis ins 170km entfernte Kumasi). Und sie managen den Ein- und Ausstieg. Sie signalisieren z.B. den Leuten, die am Straßenrand warten, durch Zurufen („circ, circ, circ“ - was „Circle“ heißen soll, die zentrale Trotro-Station in Accra) oder bestimmte Handzeichen (Kreiselbewegung), wo das Trotro hinfährt. Will man mitfahren, muss man ebenfalls einfach die bestimmte Handbewegung machen oder rufen. Wenn das Trotro dann nicht schon bis auf den letzten Millimeter vollgestopft ist, hält der Driver und man muss sich auf den noch verbleibenden Platz basteln.
Und wenn man bei längeren Reisen auch schon mal 4 Stunden auf die Abfahrt des einzigen Busses nach Hause warten muss, weil dieser nicht losfährt, ehe der letzte Platz besetzt ist und dann nach nochmal 4 Stunden Fahrt auf mit Schlaglöchern übersäten Straßen kein Blut mehr durch deinen schmerzenden Hintern fließt, oder man ewig nicht weiterkommt, weil man im absoluten, ungeregeltem Verkehrschaos oder an einem scheiß Polizei-Checkpoint feststeckt, dann ist das eine wirklich einmalige Erfahrung, die man so wahrscheinlich auch nur hier machen kann. Und trotzdem ist es ein Heidenspaß - irgendwie, meistens. „Stay blessed. Amen.“

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